Erklärtes Ziel dieser Konferenz war es, einen Zugang zu einer brisanten Thematik zu finden, welcher bei den Teilnehmenden nicht nur die mentale, sondern auch die emotionale und spirituelle Intelligenz anspricht. So haben wir in den Ablauf künstlerische Elemente wie Musik und Dramaturgie eingewoben und auch den Raum für eine kirchliche Andacht geöffnet und eine christliche Nonne und Zen-Meisterin eingeladen.
Ein solcher Zugang ist in einer stark wissenschaftsorientierten Gesellschaft nicht üblich. So nimmt es nicht wunder, dass rund um die Konferenz immer wieder die Frage auftauchte, ob hier Esoterik im Spiel sei. Wir nehmen dies um Anlass, um aus unserer Sicht auf die Unterschiede zwischen Religion, Spiritualität und Esoterik hinzuweisen.
Religionen sind Glaubenssysteme, die Wege zu dem lehren, was die Menschheit mit den unterschiedlichsten Namen benannt hat: Gott, Allah, Tao, der Namenlose, Großer Geist, Buddhanatur…Jede dieser Religionen basiert auf einem System von Glaubenssätzen, die vielfach in Schriften kodiert und für die Angehörigen der Religionen verbindlich sind. Dies bringt es mit sich, dass Konflikte zwischen unterschiedlichen Religionen über den „rechten Weg“ zu Gott auftreten, die sich bis heute in blutigen Auseinandersetzungen niederschlagen. Interreligiöse Dialoge suchen hier nach Wegen der Verständigung. Heute wenden sich viele Menschen von den religiösen Wegen ab und suchen nach anderen Zugängen zu Fragen, die ihre eigene Person überschreiten.
Spiritualität respektiert verschiedene religiöse und meditative Wege der Erfahrung dessen, was Menschen als Gott/Transzendenz bezeichnen. Spirituelle Wege gehen gleichwohl davon aus, dass diese Erfahrung nicht exklusiv einer Religion vorbehalten ist. Der Mensch wird als ein geistig-spirituelles Wesen begriffen. Menschsein enthält daher die Aufforderung, den Sinn des Lebens zu entschlüsseln und zu leben. Ein zentrales Ziel spiritueller Wege ist eine Schulung des Geistes, die den Menschen befähigt, in einer Harmonie zwischen Innenwelt (Gewissen) und Außenwelt zu leben. Der spirituelle Weg führt nicht in die Weltabgewandtheit, sondern führt zur bewussten Hinwendung zur Welt aus einem Geist der Verantwortung und der Liebe sich und anderen gegenüber.
Das Wort Esoterik wird in der heutigen Zeit meist in seiner abwertenden Bedeutung gebraucht. Ursprünglich bedeutete es „geheimes Wissen“. Heute versteht man darunter eine breite Strömung, bei der spirituell Sinnsuchende Elemente von alten Weisheitstraditionen aufgreifen, die dem wissenschaftlichen Weltbild widersprechen. Im Unterschied zu spirituellen Wegen wird in den heutigen esoterischen Strömungen das mentale Bewusstsein meist ausgeblendet, so dass es zu unrealistischen Heilserwartungen und einer Weltabgewandtheit kommen kann, die dazu einlädt, sich der Verantwortung für konkrete gesellschaftliche Herausforderungen zu entziehen. Vielfach neigen Menschen auf diesem Weg dazu, Bodenhaftung zu verlieren und werden damit anfällig für alle Arten von Verführungen und Manipulationen.
Die Scheidelinie zwischen Spiritualität und einer so verstandenen Esoterik liegt zum einen darin, ob dem mentalen Bewusstsein eine Chance des Prüfens und Abwägens möglicher spiritueller Erfahrungen gegeben wird, um so zu einer „aufgeklärten Spiritualität“ zu kommen, und zum anderen ob der Weg zur Weltabgewandtheit oder zum verantwortlichem Handeln in der Welt führt.
Die Öffnung hinein in den Spirituellen Raum war ein Anliegen der Konferenz, da aus Sicht der Initiatoren ein Prozess der Aussöhnung ohne einen transpersonalen Bezug schwer möglich ist. Zugleich war die Konferenz getragen von der entschiedenen Aufforderung, sich den aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen zuzuwenden, vor denen unser Land und seine Menschen stehen. Eine esoterische im oben definierten Sinne Herangehensweise lehnen wir dagegen mit aller Entschiedenheit ab.
Zugleich vertreten wir die Auffassung, dass im heutigen Deutschland eine Öffnung für die Spirituelle Dimension des Menschseins belastet ist durch den geistigen Missbrauch, den die Nationalsozialisten betrieben haben. Der Nationalsozialismus war eine „politischen Religion“ (Bärsch), die ihre Herrschaft mit dem Gebrauch von religiösen Symbolen, Praktiken und Heilserwartungen stabilisierte. Diese Elemente waren eingewoben in das nationalsozialistische Herrschaftssystem und bildeten eine wichtige Grundlage für die Begeisterung, mit der Deutsche der Person und dem Mythos Hitler folgten und seine Herrschaft bestätigten. Nach 1945 hat dies beigetragen zu einer grundlegenden Ablehnung Spiritueller Wege, eine Tatsache, die sich erst in jüngster Zeit ändert.
Gleichwohl dient der Esoterikvorwurf heute vielfach der Diskreditierung der spirituellen Dimension von Menschsein. Damit wird eine Spaltung von Innenwelt und Außenwelt aufrechterhalten. Das unterstützt einerseits eine esoterische Weltabgewandtheit und andererseits eine Haltung, die das Leben vorwiegend funktional und materiell begreift. Dieses Muster zu überkommen, war ein wichtiges Anliegen der Konferenz, indem sie sich das Thema Aussöhnen in den drei Schritten Verantwortung – Heilung – Transformation erschlossen hat.
Heiner Max Alberti
Prof. Dr. Barbara v. Meibom
Dr. Tom Steininger