Rund 180 Teilnehmer und Teilnehmerinnen besuchten und gestalteten vom 21.- 23. März 2014 in Berlin die Konferenz „Aussöhnen mit Deutschland“. Mit ihrem Konzept, einen Gleichklang von Wissenschaft, Kunst und Spiritualität herzustellen, wollten die Veranstalter Wege in einem schwierigen Themenfeld erschließen, auf denen Menschen in ihrer mentalen, emotionalen und spirituellen Intelligenz angesprochen werden.
Das Programm im Dreischritt von Verantwortung, Heilung, Transformation war eng getaktet. Dennoch blieben die Teilnehmer und Teilnehmerinnen ganz überwiegend „am Ball“. Sie ließen sich auf einen Prozess ein, der durch die Höhen und Tiefen von Verunsicherung, Lernen, Berührt-sein, Unverständnis und Ärger führte und sogar Heiterkeit zuließ, von der der hochbetagte Therapeut und Philosoph mit jüdischen Wurzeln Arno Gruen schreibt: „Der Heitere verschließt die Augen nicht vor der konkreten Situation dieser Welt. Er verdrängt das Dunkle nicht, aber er sieht alles aus einer anderen Perspektive heraus, letztlich aus einer Perspektive des Geistes, der auch die Finsternis durchschaut, bis er auf den leuchtenden Grund Gottes stößt.“
Wie schwierig das Themenfeld Aussöhnen mit Deutschland ist, zeigte sich sowohl an der tiefen Betroffenheit vieler Teilnehmer und Teilnehmerinnen, als auch an Reaktionen im direkten Vorfeld der Konferenz. So gab das eher linke Spektrum bereits im Vorfeld durch Berichterstattung in Dschungleworld, Neuem Deutschland und der taz seinem Unmut mit einem Esoterikvorwurf Ausdruck. Am ersten Tag der Konferenz gab es Bodeninschriften vor dem Konferenzgebäude und seinem Umfeld mit den Wortlauten „Schlussstrich zu Ende denken, Deutschland im Meer versenken“ und „Kein Versöhnen, kein Vergessen“.
Ausführlichere Impressionen vom Programm folgen später, doch hier bereits einige erste Highlights:
Im Themenblock Verantwortung ermutigte Nele Hertling, Gründerin und ehemalige Intendantin des Hebbel Theaters zum konkreten Handeln aus einer gereiften Verantwortung heraus, indem sie beispielhaft die von ihr mitinitiierte und europaweit vielbeachteten Initiative „A Soul for Europe“, vorstellte und damit die Bedeutung eines zivilgesellschaftlichen Engagements unterstrich.
Im Themenblock Heilung würdigte Antje Pohl den Juristen Fritz Bauer, Hauptinitiator der Auschwitzprozesse und unterstrich, wie bedeutsam für ihr Menschsein in Vergangenheit und Gegenwart die Existenz der Auschwitzprozesse gewesen ist. Sie tat dies als Enkelin des Hauptangeklagten Robert Mulka und ließ damit die Anwesenden beispielhaft teilhaben an einer seelischen Entwicklung, wie sie den Nachkommen von hochrangigen NS-Tätern abverlangt wird. Die Zen-Meisterin, christliche Nonne und Psychologin Dr. Anna Gamma aus der Schweiz wies in ihrem Vortrag darauf hin, dass für eine echte Aussöhnung auch eine Aussöhnung mit den Tätern notwendig sei. Diese Aussage war in der Konferenz umstritten.
Im Themenblock Transformation stellte Dr. Eva Högl, MdB/SPD und Obfrau im NSU-Untersuchungsausschuss eindringlich dar, dass bei allen Recherchen über das Versagen der Sicherheitsbehörden und –dienste ein Bewusstsein für eigenes fehlerhaftes Verhalten in der Ermittlungsarbeit fehlte. Dies veranlasste sie, neben strukturellen Veränderungen auch ein verstärktes zivilgesellschaftliches Engagement für Demokratie und Achtung der Menschenwürde einzufordern. Ermutigung kam von Seiten der Berliner Bildungsinnovatorin und Schulleiterin Margret Rasfeld, die mit ihren Schülerinnen eindrücklich und mit großer Lebendigkeit zeigte, dass Schulen ein Ort der Potenzialentfaltung sein können, in dem junge Menschen Demokratiefähigkeit durch Projekte wie „Verantwortung“ oder „Herausforderung“ einüben und sich als selbstwirksam erleben können.
Für viele der Anwesenden war die Konferenz ein Raum, in dem sie sich ein erstes Mal gemeinschaftlich mit Achtsamkeit über das brisante Thema Aussöhnen mit Deutschland austauschen konnten, dass viele weiterhin tief belastet. Die Brücke hierzu ist Kommunikation im Geist der Verständigung. Unterstützt wurde dieser Prozess in grandioser Weise durch die beteiligten Künstler. Die große Dankbarkeit vieler Teilnehmer, die sich am Ende ausdrückte, war für die Veranstalter eine Ermutigung, sich auf dieses Wagnis eingelassen zu haben.
Heiner Max Alberti
Prof. Dr. Barbara v. Meibom
Dr. Tom Steininger